Wo leben Muslime?

Der Islam ist mit ca. 1,57 Mrd. Anhängern nach dem Christentum (ca. 2,2 Mrd. Anhänger) die zweitgrößte Religion der Welt. Seinen Ursprung hat er im 7. Jahrhundert auf der arabischen Halbinsel, von wo aus er sich innerhalb von nur rund 100 Jahren zunächst über Palästina, Syrien und Ägypten bis in den Irak und Iran, Nordafrika und Spanien ausbreitete. In den nächsten Jahrhunderten wurden weitere Länder vor allem in Afrika und Südostasien islamisiert.
Häufig wird die arabische Welt, also vor allem der Nahe Osten und Nordafrika, mit der islamischen gleichgesetzt. Das ist nicht ganz richtig. Das größte muslimische Land mit rund 200 Mio. Gläubigen (88 Prozent der Gesamtbevölkerung) ist heute nämlich Indonesien. Wissenschaftler gehen davon aus, dass in zwanzig Jahren Pakistan auf dem ersten Platz stehen wird. Derzeit sind hier 97 Prozent bzw. 170 Mio. Menschen muslimischen Glaubens. Weitere Länder mit einem sehr großen Anteil von Muslimen an der Gesamtbevölkerung sind Indien, Bangladesch, Ägypten, Nigeria, Iran, die Türkei, Algerien und Marokko. Zusammengerechnet leben in den zehn genannten Staaten mehr als zwei Drittel aller Muslime in der Welt.
Auch in Amerika, Europa und Australien gibt es Muslime – allerdings viel weniger als in Afrika und Asien. Nur ca. 0,8 Prozent der US-Amerikaner und rund sechs Prozent aller Europäer sind muslimischen Glaubens. Das europäische Land mit der zahlenmäßig größten muslimischen Bevölkerung ist Russland (ungefähr 14 bis 22 Mio.). Im europäischen Teil der Türkei leben knapp 6 Mio. Muslime. In Albanien und dem Kosovo ist der Islam die Mehrheitsreligion. 16 Mio. Muslime leben in der Europäischen Union, wobei Frankreich mit 5 bis 6 Mio. und Deutschland mit etwa 4 Mio. Gläubigen die größten muslimischen Minderheiten haben. Die große Mehrheit der deutschen Muslime hat einen Migrationshintergrund: 63 Prozent stammen aus der Türkei, die übrigen aus Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, Iran, Marokko, Afghanistan, Libanon, Pakistan, Syrien und Tunesien. Deutsche Konvertiten machen nur einen sehr kleinen Teil der Gesamtzahl aus.
Wer von Zahlen spricht, sollte etwas sehr wichtiges nicht vergessen: Islam ist nicht gleich Islam. Im Laufe der Geschichte haben sich viele verschiedene Gruppen gebildet, die sich teils erheblich in ihren religiösen und politischen Ideen und Praktiken voneinander unterscheiden. Die gröbste Einteilung des Islams ist die nach Sunniten und Schiiten. Die Trennung der beiden Gruppen erfolgte bereits kurz nach Muhammads Tod im Streit um seine Nachfolge; die Schiiten (abgeleitet von Schia, arabisch: Partei) waren gegen den von den Sunniten (abgeleitet von Sunna, arabisch: Tradition) durchgesetzten Kalifen Abu Bakr und für Muhammads Cousin und Schwiegersohn Ali. Die meisten Schiiten leben heute im Iran und Irak sowie in Aserbaidschan, Bahrain, Indien, Pakistan und dem Libanon.
Die Sunniten sind mit etwa 85 Prozent die deutlich größte Gruppe innerhalb des Islams. Allerdings gibt es auch hier Unterschiede. Im 8. bis 10. Jahrhundert bildeten sich an verschiedenen Orten – Medina, Mekka, Kufa, Basra und Damaskus – lokale Gelehrtenschulen heraus. Im sunnitischen Islam gelten heute vier sogenannten Rechtsschulen als anerkannt: die Hanafiten, die Malikiten, die Schafiiten und die Hanbaliten. Einzelne Gläubige wie auch ganze Staaten orientieren sich an einer dieser oder auch anderen Rechtslehren. Die Hanafiyya ist vor allem in Südasien, Zentralasien und in der Türkei verbreitet, die Malikiyya im westlichen Afrika, die Schafiiyya in Ägypten, Syrien, Jemen, Südostasien und an den Küsten des Indischen Ozeans und die Hanbaliyya in Saudi-Arabien. Neben den sonstigen lokalen Traditionen prägen die Rechtsschulen entscheidend die muslimische Kultur in den jeweiligen Ländern.
Manche Länder wie beispielsweise Afghanistan, Algerien, Iran, Jemen, Mauretanien oder die Türkei sind zu nahezu 100 Prozent muslimisch; der Islam ist dann häufig auch die offizielle Staatsreligion. In den meisten Ländern jedoch leben neben Muslimen auch noch Christen, Hindus, Buddhisten oder Anhänger von weiteren Religionen. Unter den letztgenannten werden manchmal auch Glaubensgruppen gefasst, die sich mehr oder weniger als in der islamischen Tradition stehend begreifen. Innerhalb des Islams ist es teils umstritten, ob diese Gläubigen „wahre Muslime“ sind. Hierzu gehören beispielsweise die Sufis, die einen asketischen und mystischen Glauben praktizieren. Vor allem im Iran, in Saudi-Arabien und Pakistan werden sie durch staatliche Behörden verfolgt. Dasselbe gilt für die Ahmadiyya und die Bahai, zwei im 19. Jahrhundert in Pakistan bzw. im Iran entstandene Religionen, die einige islamische Lehren aufgegriffen, manche aber auch verworfen haben.

(Stand: 1. August 2013)


 
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