Warum bekämpfen sich Judentum, Christentum und Islam?

Die drei monotheistischen Religionen weisen in ihrer Glaubenslehre, ihren Traditionen und ihrer Heilsgeschichte viele Gemeinsamkeiten auf. So glauben Juden, Christen und Muslime gleichermaßen an nur einen Gott, der die Welt und den Menschen geschaffen hat. Sie charakterisieren Gott in ähnlicher Weise als allgegenwärtig und allmächtig, barmherzig, gerecht oder liebend und gehen davon aus, dass man zu ihm durch das Gebet in Kontakt treten kann. Ihnen gemein ist die Vorstellung einer heiligen Schrift, aus der sich jeweils Ge- und Verbote für die Gläubigen ableiten lassen. Wer nach dem göttlichen Willen lebt, den erwartet das Paradies, dem Sünder hingegen droht die Hölle. In der Tora („Altes Testament“), in den Evangelien und im Koran finden sich auch viele gemeinsame Prophetengeschichten, und alle drei Religionsgruppen betrachten sich als von Abraham abstammend, weshalb man sie auch abrahamitische Religionen nennt.
In einigen Punkten unterscheiden sich Judentum, Christentum und Islam jedoch voneinander. Das vielleicht bedeutendste Streitthema ist die Stellung von Jesus von Nazareth. Juden erkennen in ihm weder den Sohn Gottes noch den Messias, da sich die Welt nach ihm nicht zum Positiven verwandelt habe. Muslime bezeichnen Jesus, Sohn der Maria (arabisch: ‘Isa Ibn Maryam) zwar als Propheten, der Wunder bewirken konnte, in ihm wohnt jedoch nichts Göttliches und gekreuzigt wurde er ihrer Ansicht nach auch nicht.
In der Geschichte reagierten Christen teils mit grausamer Härte gegen diejenigen Menschen, die Jesus nicht als Sohn Gottes anerkannten und an ihrem eigenen Glauben festhielten. Besonders betroffen war die jüdische Minderheit im christlich beherrschten Europa, die über fast zwei Jahrtausende hinweg als „Christus-Mörder“ beschimpft sowie unterdrückt und verfolgt wurde. Im 19. Jahrhundert radikalisierte sich der Gottesmordvorwurf zum Antisemitismus, der im nationalsozialistisch regierten Deutschland zwischen 1933 und 1945 eine zentrale Rolle spielte und schließlich zum Holocaust, dem Völkermord an den Juden, führte.
Auch zwischen Christen und Muslimen gab es Feindseligkeiten, die weit in die Vergangenheit hinein reichen. Ein Beispiel sind die Kreuzzüge (11. bis 13. Jahrhundert), die europäische Herrscher nach dem Aufruf „Gott will es“ durch Papst Urban II. im Jahr 1095 vor allem in Palästina und Ägypten gegen den Islam führten. Vorausgegangen war die arabisch-muslimische Eroberung ehemals christlicher Gebiete des Nahen Ostens, Nordafrikas, Italiens, Spaniens und Portugals seit dem 7. Jahrhundert. Ziel der Kreuzzüge war offiziell die Befreiung des „heiligen Landes“ von den aus christlicher Sicht „Ungläubigen“. Die Muslime reagierten ihrerseits mit dem Ausruf des Dschihad (arabisch: Anstrengung, im übertragenen Sinne „heiliger Krieg“).
Begleiterscheinung dieser vornehmlich religiösen Kriege war die massive Zerstörung von Heiligtümern und Symbolen der anderen Religion. Dies sollte die Überlegenheit und den Sieg des eigenen Glaubens demonstrieren und die anderen demütigen. Wenn diese auf Rache sannen, war der Kreislauf von Krieg und Gewalt geschlossen. Neben den religiösen Motiven gab es jedoch auch konkrete Macht- und Handelsinteressen, so dass schwer zu entscheiden ist, ob die Religion oder politisch-ökonomische Interessen im Vordergrund standen.
Heute denken wir bei Kämpfen zwischen Muslimen, Christen und Juden in erster Linie an den Nahen Osten – vor allem an den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern oder an den Kampf von al-Qaida gegen die aus ihrer Sicht „Ungläubigen“ in der westlichen Welt. Solche Auseinandersetzungen, die als religiös motiviert wahrgenommen werden, haben verheerende Auswirkungen auf das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen. Sie schaffen Angst, Misstrauen und Hass.
Friedensbewegte Menschen wie staatliche Einrichtungen haben daher eine Vielzahl interreligiöser Dialogprojekte ins Leben gerufen. Durch gemeinsame Aktionen wollen sie ein Zeichen der Verständigung setzen. Sie befinden sich damit in einer langen Tradition des Austauschs, denn keinesfalls war die Geschichte der Religionen immer nur von Kriegen geprägt. Insbesondere der muslimisch-jüdische Dialog brachte über Jahrhunderte ein für die Theologie, Literatur, Kunst und Naturwissenschaft bedeutendes Erbe hervor. In den letzten Jahrzehnten ist dieser Kontakt im Zuge des Nahostkonflikts weitestgehend zum Erliegen gekommen. Intensiv hingegen sind heute die Beziehungen zwischen Christentum und Judentum – mit Blick auf die Jahrhunderte währende Judenfeindschaft und dem Holocaust keine Selbstverständlichkeit.

(Stand: 24. Januar 2014)


 
Schließen