Warum kommen Muslime nach Deutschland? Was hat Deutschland, was andere Länder nicht haben?

Die Gründe, aus denen Menschen ihr Heimatland verlassen und nach Deutschland kommen, sind sehr vielfältig. Es lassen sich keine Situationen feststellen, die allein für Musliminnen und Muslime zutreffen. Alle Menschen – egal welcher Religionszugehörigkeit – erhoffen sich ein gutes Leben in Frieden und Wohlstand. Krieg, Verfolgung, Armut und Hunger können jeden überall treffen. So lässt sich grob zwischen privaten, freiwilligen Motivationen und äußeren, zwanghaften Gründen für die Migration in ein anderes Land unterscheiden.
Zu dem ersten Komplex zählen beispielsweise die Aufnahme eines Studiums oder die Suche nach einer neuen beruflichen Perspektive. Deutschland bietet für Studierende und Berufstätige eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich auszuprobieren und sich fortzubilden – allerdings ist es für Nicht-EU-Bürgerinnen und -bürger häufig sehr schwierig, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Meist ist dies nur möglich, wenn man als besonders begabt oder begehrt gilt, beispielsweise in Bereichen, in denen hierzulande ein großer Fachkräftemangel herrscht. Junge Menschen aus Afrika – seien sie Muslime, Christen oder anders gläubig – haben es im Vergleich zu Menschen aus westlichen Ländern sehr viel schwerer, meist werden ihre Anträge auf ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis abgelehnt. Wer jedoch Familie in Deutschland hat oder jemanden aus Deutschland heiratet, erhält schneller einen Aufenthaltstitel. Für eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis sind ein mindestens fünfjähriger legaler Aufenthalt in Deutschland, Kenntnisse der deutschen Sprache und eine Arbeitsstelle Bedingung.
Seit einiger Zeit kommen immer mehr Menschen nach Deutschland, die in ihrer Heimat politisch oder religiös verfolgt werden oder vor Krieg und Armut flüchten. Viele haben einen langen Weg durch den Nahen Osten oder Afrika hinter sich und riskieren ihr Leben, wenn sie in wacklige, überfüllte Boote steigen und über das Mittelmeer nach Italien übersetzen. In der gesamten Welt sind laut UN-Flüchtlingshilfswerk rund 50 Millionen Menschen auf der Flucht – so viele wie nie zuvor. Die allerwenigsten schaffen es bis nach Deutschland.
Die meisten Flüchtlinge leben in den Nachbarstaaten ihres Heimatlandes, also vor allem im Nahen Osten oder in Afrika. Der Libanon, die Türkei, Jordanien und der Irak beispielsweise nehmen über drei Millionen Syrer auf, die vor den Bomben der Regierungstruppen sowie ausländischer Armeen und dem Terror des „Islamischen Staates“ geflohen sind. Die Hälfte der syrischen Bevölkerung ist auf der Flucht, nach Deutschland kommt nur ein winziger Bruchteil. Sie suchen hier vor allem eins: Sicherheit.
Im Jahr 2014 stellten 173.072 Personen einen Asyl-Erstantrag in Deutschland, d.h. sie baten um die Anerkennung als Flüchtlinge und die Erlaubnis, in Deutschland Schutz zu suchen. Die Zahlen sind weiter steigend: Im Januar 2015 wurden 21.679 Erstanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entgegengenommen. Einen Monat zuvor, im Dezember 2014, waren es 12.556 Erstanträge. Im Vergleich ist die Zahl der Erstanträge um 27,1 Prozent gestiegen.
Im Januar 2015 waren folgende Herkunftsländer am stärksten vertreten: Syrien (5.340 Erstanträge), Kosovo (3.034 Erstanträge) und Serbien (2.042 Erstanträge). Damit stammen 25 Prozent aller Asylbewerberinnen und -bewerber aus Syrien, mehr als ein Drittel aller Erstantragssteller kommen aus einem Balkanland. Weitere häufige Herkunftsländer sind Afghanistan, Irak, Eritrea und Nigeria.
Die vorwiegend muslimischen Syrer, Afghanen und Iraker haben eine sehr gute Chance, als Flüchtlinge anerkannt und Asylrecht in Deutschland zu bekommen. In ihren Heimatländern herrscht eindeutig Krieg. Weiter werden hier religiöse Minderheiten wie Christen oder Jesiden verfolgt, so dass sie eine besonders hohe Zahl an Flüchtlingen aufweisen.
Deutschland nimmt im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr viele Asylbewerber auf. Rund ein Viertel aller Asylanträge in der Europäischen Union wird hier gestellt. Im Vergleich zur jeweiligen Bevölkerungsgröße führt jedoch Schweden die Liste an.
Die überwiegende Zahl der Muslime kam in der Vergangenheit jedoch nicht als Flüchtlinge, sondern als Arbeitskräfte nach Europa. Die meisten Muslime leben heute nicht in Deutschland (ca. 5 Prozent), sondern in Frankreich, nämlich rund 5 Millionen, was etwa 8 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Auch in den Niederlanden (ca. 5 Prozent), Griechenland (ca. 4,7 Prozent) und Belgien (ca. 3,6 Prozent) leben mehr Muslime als im Gesamtdurchschnitt der Europäischen Union. Die hohe Zahl erklärt sich aus der Geschichte einiger europäischer Länder. Vor allem Frankreich hatte in der Zeit des Imperialismus viele Gebiete Afrikas und des Nahen Osten kolonialisiert. Heute leben insbesondere Menschen aus Algerien, Tunesien und Marokko in Frankreich. In Deutschland sind es vor allem die ehemals türkischen „Gastarbeiter“ und ihre Kinder und Enkelkinder.

(Stand: 26. Februar 2015)


 

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