Seit wann gibt es Muslime in Deutschland?

Die Geschichte der Muslime in Deutschland ist einige wenige Hundert Jahre alt. Bevor sich die ersten Muslime im Hl. Römischen Reich deutscher Nation (bis 1806) und im Königreich Preußen (1701-1918) niederließen, hatte es vor allem diplomatische und kriegerische Kontakte zu islamisch geprägten Ländern gegeben. Am bekanntesten sind die Beziehungen zwischen dem Kalifen Harun ar-Rashid (um 763-809) in Bagdad und dem Frankenkönig Karl dem Großen (747/748-814) sowie die zwei Belagerungen Wiens in den Jahren 1529 und 1683 durch die Osmanen. Weiter gelangten die Erkenntnisse arabischer Wissenschaftler wie die des berühmten Arztes Ibn Sina bzw. Avicenna (um 980-1037) nach Europa und beeinflussten die in Medizin, Naturwissenschaft und Astronomie „hinterherhinkenden“ Deutschen.
Im Grunde waren die islamische Religion und Kultur schon lange vor den Muslimen selbst in Deutschland präsent. Das Interesse am Islam und an arabischer Literatur war unter deutschen Intelektuellen schon lange sehr groß. Bereits 1616 erschien in Nürnberg die erste deutsche Koranübersetzung. Besonders die Auseinandersetzung des Dichters Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) mit dem heiligen Buch der Muslime ist legendär und von großer Bedeutung, war er doch von der arabischen Sprache und Kultur so tief beeindruckt, dass er viele islamische Bilder in seine Werke einfließen ließ.
Islamische Kunst und Architektur, Poesie, Malerei und Musik inspirierte deutsche Kunstschaffende vor allem im 18. und 19. Jahrhundert. Aber auch die einfachen Bürgerinnen und Bürger begeisterten sich für den Orient, er wurde sogar eine richtige Mode. Der Kaffee hielt Einzug in speziellen Kaffeehäusern. Man las sich aus „Tausendundeine Nacht“ vor; Fantasien vom Harem des Kalifen Harun ar-Raschid schufen die Vorstellung eines sexuell freizügigen Orients. Karl May (1842-1912) feierte mit seinen Abenteuergeschichten von Hadschi Halef Omar große Erfolge.
Muslime kamen also vor allem indirekt in Märchen, kulinarischen Genüssen und Erfindungen vor; direkten Kontakt zu ihnen hatte kaum ein Deutscher. Deutschsein hieß lange Zeit Christsein. Dies änderte sich erst langsam mit dem preußischen König Friedrich II. (1712-1786), der 1740 die Religionsfreiheit auch für „Türken“ – so wurden Muslime damals genannt – einführte.
Die erste Moschee soll einer Überlieferung zufolge im Jahr 1731 durch den preußischen König Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) für zwanzig muslimische Kriegsgefangene in Potsdam eingerichtet worden sein. Sicher ist das jedoch nicht. Nach dem Tod des osmanischen Gesandten Ali Aziz Efendi (1749–1798) stellte der preußische König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) ein Gelände für seine Bestattung bereit, das den Grundstein für den bis heute benutzten türkisch-islamischen Friedhof am Columbiadamm in Berlin bildete.
1762 liefen in der russischen Armee dienende muslimische Tataren zu den Preußen über. Aus ihnen wurde ein selbstständiges „Bosniakenkorps“ mit ca. 1.000 Mann gebildet. Preußisch-deutsche Muslime kämpften auch in den Feldzügen Friedrich II. und in der Schlacht bei Preußisch Eylau am 7. und 8. Februar 1807 gegen Napoleons Armee.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde südlich von Berlin ein Lager für ca. 30.000 muslimische Kriegsgefangene eingerichtet. 1914/15 entstand im Halbmondlager in Wünsdorf die erste funktionierende Moschee auf deutschem Boden. Anhänger der Ahmadiyya-Gemeinde legten den Grundstein für die erste feste Moschee Deutschlands in Berlin-Wilmersdorf, die bis heute nahe des Fehrbelliner Platzes steht.

(Stand: 11. März 2015)


 
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