Was passiert nach dem Tod?

Der Islam kennt genaue Regeln für die Begleitung von Sterbenden und die Beerdigung von Toten, deren Einhaltung sehr wichtig ist, um eine bestmögliche Bedingung für die Aufnahme des Verstorbenen in das Paradies zu sichern.
Verwandte und Freunde des Sterbenden beten in den letzten Stunden vor dem Tod immer wieder das Glaubensbekenntnis (arabisch: Schahada) und rezitieren verschiedene Koransuren. Diese Verse gelten als besonders schön und sollen den sterbenden Menschen auf seinem Weg zurück zu Gott begleiten. Nach Eintritt des Todes wird der Leichnam rituell gewaschen und gesalbt. Anschließend hüllt man ihn in ein Totengewand, das aus schlichten weißen Tüchern besteht. Ein Verwandter oder der Imam des Ortes spricht ein Totengebet. Anschließend wird der Tote in einer Leichenprozession zum Friedhof getragen. Hier betten ihn die Trauernden mit dem Kopf nach Mekka ausgerichtet in ein Erdloch. Nach islamischem Brauch werden die Toten sehr schnell bestattet, zwischen dem Zeitpunkt des Todes und dem der Bestattung sollten nicht mehr als 24 Stunden vergehen.
In islamisch geprägten Ländern wird auf einen Sarg verzichtet, in Europa muss dieser aufgrund der landesüblichen Friedhofsgesetze teils benutzt werden. Eine Feuerbestattung kennt der Islam nicht. Auch gibt es keinen Totenkult, die islamischen Friedhöfe sind daher meistens sehr schlicht. Lediglich ein kleiner Stein erinnert an den Toten, die Familie besucht und schmückt das Grab jedoch nicht regelmäßig. Theoretisch sollen der Ablauf der Beerdigung und der Umgang mit dem Verstorbenen immer gleich sein, denn im Tod gibt es nach islamischer Lehre keine Unterschiede zwischen den Menschen. Tatsächlich sind jedoch mache Menschen beliebter oder bekannter als andere, so dass in der Geschichte und Gegenwart zum Beispiel für Politiker prachtvolle Mausoleen entstanden sind oder die Gräber besonders frommer und weiser Männer auch noch Jahrhunderte nach ihrem Tod von Pilgern besucht werden.
Der Tod ist für Muslime kein Ende aller Dinge, sondern ein Höhepunkt des Lebens. Das Diesseits verstehen Muslime als Prüfung; das wahrhaftig Erstrebenswerte ist nicht der schnelle Genuss auf Erden, sondern die ewige Zeit im Paradies. Gott wertet am Ende aller Tage jeden Menschen hinsichtlich seines Glaubens und seiner Taten: Die Sünder werden in der Hölle (arabisch: Dschahannam) bestraft, die Frommen im Paradies (arabisch: Dschanna) belohnt. Doch so einfach und schnell sind die Wonnen des Paradieses nicht zugänglich. Niemand kann sich der Belohnung im Paradies sicher sein, so dass manche gläubige Muslime und Musliminnen auch in einer gewissen Angst vor dem Tod leben.
Während der Körper vergänglich ist und in der Erde zerfällt, ist die Seele unsterblich. Sie befindet sich bis zum „Tag der Auferstehung“ (arabisch: Jaum al-Qiyama) in einer Art Zwischenwelt (arabisch: Barzakh). Allein die muslimischen Märtyrer (z. B. im Krieg für Gott getötete Kämpfer) gehen sofort in das Paradies ein. Alle anderen werden durch die beiden Todesengel Munkar und Nakir noch im Grab in einem Zwischengericht befragt. Die Toten müssen dabei ihre Rechtgläubigkeit beweisen und ihr Verhalten zu Lebzeiten rechtfertigen. Die entscheidenden Fragen sind: Wer ist dein Gott? Welche ist deine Religion? Wer ist dein Prophet? Den Gläubigen wird Gott die Beantwortung der Fragen leicht machen, die Ungläubigen hingegen kennen die richtigen Antworten nicht. Je nach dem erfährt der Tote dann schon im Grab einige Kostproben des Paradieses oder der Hölle.
Erst am Tag der Auferstehung – von dem niemand weiß, wann er sein wird – kommen alle Toten aus ihren Gräbern und legen beim Jüngsten Gericht Rechenschaft ab. Das ganze Leben der Menschen ist in ein Buch eingetragen, zudem werden die guten und schlechten Taten auf einer Waage gewogen. Erst dann entscheidet Gott endgültig, ob die Seele in das Paradies einkehrt oder aber in der Hölle ewige Bestrafung erfährt.
Nach einer verbreiteten islamischen Jenseitsvorstellung führt hinter dem Ort des Gerichts eine schmale Brücke über das Höllenfeuer. Die gläubigen Muslime, die Gutes im Leben taten, laufen über sie hinweg und treten direkt in das Paradies ein. Diejenigen Muslime jedoch, die gesündigt haben, sowie alle Nichtmuslime fallen in die Hölle hinab. Ähnlich der christlichen Idee vom Fegefeuer bleiben die Muslime nur eine gewisse Zeit und ohne große Schmerzen in der Hölle; sie werden solange von ihren Sünden geläutert, bis Gott sich ihnen barmherzig zeigt und sie in das Paradies aufnimmt. Die Ungläubigen müssen jedoch ewig in der Hölle bleiben.
Die Hölle und das Paradies sind zwei sehr gegensätzliche Orte: In der Hölle befindet man sich inmitten von glühendem Feuer, heißes Wasser wird über den Köpfen der Menschen ausgeschüttet, es gibt Essen aus Dornen, das den Hunger nicht stillt, auch wird man mit Ketten und Eisenstangen gefoltert (Sure 56, Vers 41-56; Sure 44, Vers 43-49; Sure 40, Vers 71-72 und andere). Im Paradies hingegen gibt es frisches Wasser, kühlenden Schatten und Früchte (Sure 13, Vers 35) sowie Bäche voll Wasser, Milch, Wein und Honig (Sure 47, Vers 15). Im Paradies finden die Frommen alles, was sie begehren, unter anderem Dinge, die in der diesseitigen Welt für Muslime verboten sind (z. B. Genuss von Wein, Schwelgen im Luxus, ausschweifende Sexualität). Es herrscht kein Leid, sondern grenzenloser Frieden.

(Stand: 22. Oktober 2015)


 
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