Gibt es Kurdistan?

Kurdistan ist ein nicht genau abzugrenzendes Gebiet, in dem seit langer Zeit Kurdinnen und Kurden leben. Es erstreckt sich über mehrere Länder: Türkei, Syrien, Irak und Iran. Neben ca. 30 Millionen Kurd*innen leben hier auch viele andere Ethnien, vor allem Türken, Araber und Perser. Kurd*innen bilden eine Volksgruppe mit eigener Sprache und Kultur.

Kurd*innen sind heute überall Minderheiten: In der Türkei machen sie etwa 20 Prozent der Bevölkerung aus, im Irak mehr als 15 Prozent. Im Iran und in Syrien sind es ungefähr 10 Prozent. Die meisten Kurd*innen sind heute sunnitische Muslime, im Irak leben aber auch jesidische Kurd*innen.

Kurdistan war nie ein eigenständiger Staat. Mit Unterbrechungen existieren seit über tausend Jahren verschiedene Verwaltungsprovinzen namens Kurdistan. Nach dem Ersten Weltkrieg entstanden aus dem Osmanischen Reich (ca. 1299-1923) eine Reihe von Staaten und Protektoraten. In der 1920 gegründeten Türkei sollten alle Volksgruppen im von Mustafa Kemal Atatürk (1881-1938) geprägten Nationalstaat aufgehen. Die zunächst versprochenen Rechte der Kurd*innen nahm Atatürk zurück. Nach und nach wurden die kurdische Sprache und Kultur verboten.

Auch im Iran und im Irak litten die Kurd*innen über lange Zeit unter den herrschenden Regimen. Sowohl Ruhollah Musawi Chomeini (1902-1989) als auch Saddam Hussein (1937-2006) ließen kurdische Orte bombardieren und setzten sogar Giftgas ein.

Kurd*innen kämpfen bereits seit langer Zeit für einen eigenen Staat Kurdistan. 1984 nahm die PKK (kurdisch: Partîya Karkerén Kurdîstan; Arbeiterpartei Kurdistans) ihren bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat auf. Der Krieg kostete ca. 35.000 Menschen das Leben und endete mit der Verhaftung des PKK-Chefs Abdullah Öcalan im Jahr 1999. Im Zuge der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union mit der Türkei verbesserte sich die Situation der Kurd*innen in der Türkei und die Zusammenstöße mit der türkischen Polizei nahmen ab.

Nach Ausbruch der Bürgerkriege im Irak und in Syrien und dem kurdischen Kampf gegen den Terror des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) nahmen die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden und die militärischen Aktionen der Türkei gegen die PKK wieder zu.

Im Irak gibt es heute eine Autonome Region Kurdistan, die viele staatliche Strukturen wie eine Hauptstadt, ein Parlament, eine Armee, Verwaltung, Währung, Amtssprache, Fahne und Nationalhymne aufweist, aber de facto international nicht als Staat anerkannt ist.

Auch in Syrien hat sich während des Bürgerkriegs seit 2011 im Nordosten ein von Kurd*innen kontrolliertes Gebiet entwickelt. Als eigener Staat wurde es aber von niemandem anerkannt. Die Zukunft des kurdischen Teils Syriens ist völlig offen. Die syrische Regierung hat immer wieder betont, dass sie das ganze Staatsgebiet wieder unter ihre Kontrolle bringen will.

(Stand: 16. Februar 2022)


 
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