Wieso werden Muslime in den Medien so schlecht dargestellt?

In der islamisch geprägten Welt ist derzeit viel los – leider oft nichts Gutes: Kriege in Afghanistan, Irak, Syrien oder Israel/Palästina sowie blutige Auseinandersetzungen in Ägypten, Libyen, Nigeria, Somalia oder Pakistan, dazu kommen die seit vielen Jahren bestehenden Diktaturen in Saudi-Arabien, Iran oder Katar und massive Menschenrechtsverletzungen in den meisten dieser Staaten. All diese Länder sind nur wenige Flugstunden von uns entfernt, sie sind teils wichtige Handelspartner von Deutschland, viele Menschen von dort leben hier. Es ist daher richtig und wichtig, dass die Medien über all diese Konflikte berichten.
Diese Konflikte haben jedoch zumeist nur wenig mit Religion zu tun, auch wenn deren größtenteils muslimische Akteure uns dies weismachen wollen. Es geht vor allem um politische Macht, wirtschaftliche Interessen und menschlichen Größenwahn. Trotzdem führen sie dazu, dass der Islam nahezu ausschließlich in Zusammenhang mit Krieg, Terror und Blutvergießen wahrgenommen wird. „Bad news are good news“, sagt man im Journalismus, „Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“. Der Mediennutzer konsumiert mit Vorliebe Beiträge, die Spektakuläres und Krisenhaftes zum Inhalt haben. Berichte über das „normale“ Leben von Muslimen sind langweilig. Sie schaffen es nicht in die Medien, weil sich niemand dafür interessiert. Dadurch entsteht ein verzerrtes Bild des Islams.
Dass der Islam in den Medien vor allem negativ dargestellt wird, entspricht nicht nur der Wahrnehmung der Muslime in Deutschland, sondern ist auch wissenschaftlich belegt: In mehr als 80 Prozent der Fernsehsendungen, die sich mit dem Islam beschäftigen, gibt es eine negative Themenauswahl, so eine Studie der Universität Erfurt aus dem Jahr 2007. Der Islam erscheint hierbei stets als Gefahr oder als Problem. Dies betrifft nicht nur Boulevardmedien, sondern auch ARD und ZDF. Eigene Religionsformate oder Auslandsjournale in Fernsehen, Radio und Zeitungen, in denen auch soziale, religiöse und kulturelle Aspekte des Islams behandelt werden, finden sich außerhalb der Hauptsendezeiten oder ganz hinten im Heft, so dass sie wenig und nur von ganz besonders Interessierten gesehen, gehört und gelesen werden.
Da viele Menschen in Deutschland keinen unmittelbaren Kontakt zu Muslimen in ihrem Alltag haben, wird ihr Bild vom Islam vor allem durch diese Medien geprägt. Die einseitige Berichterstattung hat schwerwiegende Folgen: Seit dem 11. September 2001, den Terroranschlägen in den USA, hat sich die öffentliche Wahrnehmung vom Islam rapide verschlechtert. So hat der Bertelsmann Religionsmonitor 2013 gezeigt, dass jeder zweite Deutsche den Islam als Bedrohung empfindet. Die Medien tragen also ein großes Stück Verantwortung dafür, dass die Muslimfeindlichkeit in Deutschland zunimmt.
Dem „durchschnittlichen“ Islam fehlt es an professionellen Sprecherinnen und Sprechern, die im Sinne des Großteils der Muslime argumentieren. Wo es sie doch gibt, müssen sie natürlich von Fernsehen, Radio und Zeitungen auch angefragt werden, was häufig nicht geschieht. Wichtig wäre es außerdem, wenn Muslime in den Aufsichtsräten der Medienanstalten säßen, denn sie haben vermutlich an vielen Stellen eine höhere Sensibilität gegenüber tendenziösen Titeln und Bildern. Auch bräuchte es mehr Journalisten mit Migrationsbiografie, damit diese Perspektive in den Medien angemessen vertreten ist.

(Stand: 30. September 2014)


 
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