Warum distanzieren sich islamische Verbände und Gemeinden nicht vom Terror?

Muslime in Deutschland sehen sich häufig einer pauschalen Verurteilung als Terroristen ausgesetzt. Auch die Unterdrückung von Frauen, die Verfolgung religiöser Minderheiten oder die Diskriminierung von Homosexuellen werden ihnen bzw. ihrer Religion vorgeworfen. Viele fühlen sich zu Unrecht für Missstände in Haft genommen, die sie selbst weder verschulden noch gutheißen: Was kann ein in Deutschland geborener muslimischer Mann für die frauenfeindliche Haltung der Taliban in Afghanistan, was die muslimische Frau für das Verbot von Kirchenbauten in der Türkei oder in Saudi-Arabien und was der Islam für einzelne Gläubige, die die Religion missbrauchen und Gewalt ausüben?
Die meisten Muslime betonen immer wieder, dass sie Gewalt und Unterdrückung ablehnen, dass sie die Demokratie für eine gute Staatsform halten und dass der Terror mit ihrem Verständnis vom Islam unvereinbar ist. Dies bestätigt auch der „Religionsmonitor 2014“ der Bertelsmann Stiftung, nachdem die hier lebenden Muslime sich in ihren Einstellungen und Lebensweisen stark an den Werten in der Bundesrepublik orientieren und sich als Teil Deutschlands empfinden. In der repräsentativen Umfrage sprachen sich 90 Prozent der hochreligiösen Muslime für die Demokratie aus.
Die vier großen Dachverbände der Muslime in Deutschland verurteilen in aller Regelmäßigkeit in Pressemitteilungen und Interviews sämtliche Gewalttaten, die von Muslimen ausgeübt werden. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DİTİB) stellt mit rund 900 Moscheevereinen den größten muslimischen Verband in Deutschland dar. Der zweitgrößte ist der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland. Er vertritt 37 Mitgliedsvereine, darunter die türkische Islamische Gemeinschaft Milli Görüş. Die DİTİB und der Islamrat repräsentieren jeweils weit über 100.000 Mitglieder. Der Zentralrat der Muslime und der Verband der Islamischen Kulturzentren mit je rund 300 Moscheegemeinden gehören zu den kleineren der vier Verbände, die zusammen den Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland bilden.
Die muslimischenVerbände sowie einzelne Moscheegemeinden riefen im vergangenen Jahr mehrfach zu Demonstrationen und Aktionen gegen Gewalt und Terror auf. Zuletzt organisierte der Zentralrat der Muslime vor dem Hintergrund der Terrorakte in Paris am 13. Januar 2015 eine Mahnwache für Toleranz und gegen Extremismus am Brandenburger Tor in Berlin. Über 10.000 Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich, anwesend waren auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck.
Mit Bekanntwerden der Gräueltaten des „Islamischen Staates“ in Syrien und Irak riefen im September 2014 2.000 Moscheen in ganz Deutschland zu bundesweiten Aktionen gegen Gewalt im Namen des Islams als auch gegen Gewalt gegenüber Muslimen auf. Bekir Alboğa, Generalsekretär der DİTİB, sagte in Berlin: „Wir, die Muslime Deutschlands, stellen uns klar und deutlich – und das nicht nur in Deutschland, sondern unabhängig von Zeit und Raum – überall und gegen jede Art von Hass, Ungerechtigkeit, Terror und Angriffe auf Menschen.“

(Stand: 1. März 2015)


 
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