Wie kann man die Skepsis gegenüber dem Islam und den Muslimen abbauen?

Das Bild der Nichtmuslime in Deutschland vom Islam und von Muslimen ist eher negativ geprägt. Das haben verschiedene Studien in den vergangenen Jahren gezeigt. Die aktuellste Untersuchung ist die der Bertelsmann Stiftung, die ihre Daten vom „Religionsmonitor 2012“ und von einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid speziell zum Islam neu ausgewertet hat; die Ergebnisse wurden 2015 veröffentlicht. Im Rahmen der Emnid-Umfrage vom November 2014 wurden zentrale Fragen zur Islamwahrnehmung der deutschen Bevölkerung, die bereits im Religionsmonitor enthalten waren, erneut erhoben. So konnten Veränderungen im Islambild zwischen 2012 und 2014 – auch vor dem Hintergrund aktueller politischer Ereignisse – erfasst werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Meinung der nichtmuslimischen Deutschen zum Islam und zu Muslimen schlechter geworden ist.
Die Studie zeigt gleichzeitig, dass Muslime in Deutschland eng mit Staat und Gesellschaft verbunden sind. Sie hegen eine große Sympathie für Demokratie und Pluralismus, teilen die hiesigen Werte und beteiligen sich am politischen und sozialen System, auch pflegen sie vielfältige Kontakte zu Nichtmuslimen. Die oft angeführte Behauptung, Muslime grenzten sich von der Mehrheitsgesellschaft ab und lebten in Parallelgesellschaften, ist daher nicht richtig. Auch die ihnen unterstellte Demokratiedistanz wird durch die Studie widerlegt. Im Gegenteil: Sogar unter den hochreligiösen Muslimen halten 90 Prozent die Demokratie für eine gute Regierungsform.
Der offenen Haltung vieler Muslime in Deutschland steht eine zunehmend ablehnende Haltung der nichtmuslimischen Mehrheit der Bevölkerung gegenüber. Die rund 4 Millionen in Deutschland lebenden Muslime leiden unter einem negativen Image, das vermutlich durch die kleine Minderheit der radikalen Islamisten, die weniger als ein Prozent aller Muslime ausmachen, geprägt wird. So nimmt über die Hälfte der Bevölkerung (57 Prozent) den Islam als Bedrohung wahr und ein noch höherer Anteil ist der Ansicht, dass der Islam nicht in die westliche Welt passt (61 Prozent). Diese Beurteilung des Islams hat in den letzten zwei Jahren deutlich zugenommen.
Obwohl die große Mehrheit der Muslime in Deutschland geboren wurde oder hier seit langer Zeit arbeitet und gut deutsch spricht, fühlt sich fast jeder Zweite wie ein Fremder im eigenen Land (40 Prozent). Ein Viertel der Bevölkerung fordert sogar, dass die Einwanderung von Muslimen untersagt werden sollte, um die „Überfremdung“ zu stoppen.
Bemerkenswerterweise ist die Ablehnung des Islams besonders in den Regionen Deutschlands stark ausgeprägt, wo kaum Muslime leben – wie beispielsweise in Sachsen (78 Prozent). In Nordrhein Westfalen, wo ein Drittel aller Muslime in Deutschland zuhause ist, wird der Islam hingegen als weniger bedrohlich empfunden (46 Prozent). Auch hier ist jedoch der Anteil, der dem Islam abspricht, in die westliche Welt zu passen, ähnlich hoch wie im übrigen Deutschland. Wenn also Muslime im eigenen Wohnumfeld leben und die Menschen die Erfahrung machen können, dass keine reale Gefahr von ihnen ausgeht, fällt das Bedrohungsempfinden geringer aus. Die Ablehnung des Islams als Religion bleibt jedoch bestehen.
Die Studie hat sehr genau den persönlichen Hintergrund der Befragten mit in die Auswertung einbezogen. Dabei zeigte sich, dass weder die politische Orientierung, noch das Bildungsniveau, noch die finanzielle Situation einen nennenswerten Einfluss auf das Islambild haben. Entscheidend ist aber die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben: Je unzufriedener ein Mensch ist, desto feindlicher ist er Muslimen gegenüber eingestellt. Islamfeindlichkeit ist also keine gesellschaftliche Randerscheinung, sondern findet sich in der Mitte der Gesellschaft. Es ist nämlich leider gesellschaftlich akzeptiert, Muslime aus der allgemeinen Toleranz gegenüber Minderheiten auszunehmen, da diese sich angeblich nicht integrieren wollen und daher auch keine Rücksichtnahme verdienen.
Junge Menschen allerdings haben ein deutlich positiveres Bild vom Islam. Dieses ergibt sich vermutlich aus dem engen Kontakt zu muslimischen Gleichaltrigen in Schule, Ausbildung und Studium. Diese nehmen sie nicht pauschal als Fremde, sondern eher als Freunde wahr, mit denen sie Sport treiben, tanzen gehen und Musik hören oder Fernsehen schauen. Außerdem ist die Lehre vom Islam heute selbstverständlicher Bestandteil im Schulunterricht; Jugendliche wissen über die Religion vermutlich besser Bescheid als ihre Eltern und Großeltern.
Die Ergebnisse der Bertelsmann Studie zeigen, dass Vorurteile durch persönlichen Kontakt abgebaut werden können bzw. dass die Islamfeindlichkeit bei Personen am größten ist, die keine Freizeitkontakte zu Muslimen haben (66 Prozent der Personen ohne Kontakt zu Muslimen empfinden den Islam als bedrohlich; bei Personen mit solchen Freizeitkontakten beträgt dieser Anteil 43 Prozent). Derzeit hat aber nur ein Drittel der Bürger/innen überhaupt Kontakte zu Muslimen; in Ostdeutschland verbringt sogar nur jeder Zehnte mit ihnen seine Freizeit. Da Muslime nur fünf Prozent der Gesamtbevölkerung (in Ostdeutschland sogar nur zwei Prozent) ausmachen, bietet sich für Nichtmuslime allerdings gar nicht so häufig die Gelegenheit, mit Muslimen zusammenzutreffen.
Aus den Forschungsergebnissen der Bertelsmann Stiftung lassen sich einige Schlussfolgerungen für ein gelingendes Miteinander zwischen Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland ableiten:
Der Erkenntnis, dass der Islam zu Deutschland gehört, wie es einst der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff formulierte, müssen konkrete politische Maßnahmen folgen: So sollte der Islam den christlichen Konfessionen und dem Judentum gleichgestellt werden. Von der sogenannten Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts erhoffen sich die Islamverbände viele Erleichterungen, beispielsweise bei der Beantragung von Moscheen und Friedhöfen, dem Islamunterricht an Schulen oder der Seelsorge in Gefängnissen und Krankenhäusern. Wie die Kirchen und der Zentralrat der Juden hätten auch Muslime dann die Möglichkeit zur Erhebung von Steuern, das Recht auf eigene Beamte und die Erlaubnis zur Einsicht in Melderegister.
Die Diskriminierung von Muslimen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft muss konsequent bekämpft werden. Gesetze und Gerichte könnten die Chancengleichheit aller Menschen unabhängig von ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund noch stärker sichern. Aber auch Firmen oder Immobilienunternehmen könnten ihr Verhalten ändern, indem sie beispielsweise anonyme Bewerbungsverfahren einführen, damit Muslime dieselbe Möglichkeit haben, einen Job zu finden oder eine Wohnung zu mieten.
Alle sind gefragt, islamfeindlichen Aufmärschen entgegenzutreten. Jeder kann auf eine Demonstration gehen und sich für seine muslimischen Nachbarn und ein tolerantes Deutschland starkmachen. Auf gar keinen Fall darf man den rechtsradikalen Populisten unwidersprochen das Feld überlassen, wenn sie vor Elend und Krieg geflohene Menschen gegen Deutsche, die natürlich auch ihre Sorgen und Nöte haben, ausspielen.
Jeder kann und sollte sich über den Islam als Religion und Muslime als Teil Deutschlands informieren. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, den Blick über die Negativthemen wie Krieg, Terrorismus und Islamismus hinaus zu weiten und sich über die islamischen Glaubensinhalte und muslimische Lebenswirklichkeiten kundig zu machen. Hier sind auch die Medien in der Pflicht.
Am allerwichtigsten sind aber die persönlichen Begegnungen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen. Wer an einem Ort lebt, an dem kaum Muslime zu finden sind, sollte gezielt Veranstaltungen besuchen. Zum Beispiel gibt es an vielen Orten interreligiöse Gesprächskreise. Spannend und sehr intensiv sind Austauschprogramme oder Studienreisen in islamische Länder, aber auch in Deutschland ist es kein Problem, einmal eine Moschee zu besuchen. Muslime haben extra den 3. Oktober als „Tag der offenen Moschee“ ausgerufen, eben um skeptischen und ängstlichen Menschen einen ersten Kontakt mit Muslimen und dem Islam leicht zu machen.

(Stand: 1. September 2015)


 
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