Ist es schlimm, wenn man als Christ ein Kopftuch trägt?

Nichtmuslime in Deutschland verbinden das Kopftuch heutzutage meist mit dem Islam. Tatsächlich gab und gibt es jedoch in vielen Religionen den Brauch, dass Frauen ihren Kopf oder Körper auf bestimmte Weise bedecken. Auch für Männer existieren spezielle Kleidungsideale, doch sind diese selten Gegenstand öffentlicher Diskussionen.
Judentum, Christentum und Islam teilen ähnliche Vorstellungen von weiblichem Benehmen; Zurückhaltung und Keuschheit werden vor allem von konservativen Gelehrten als gute Eigenschaften von Frauen beschrieben. Die Art, wie sie sich kleiden sollten, ist häufig ein Streitthema zwischen liberalen und traditionellen Gläubigen.
Neben Musliminnen und Jüdinnen gibt es in Deutschland auch viele Frauen, die aus der christlichen Lehre ein Gebot der Kopfbedeckung ableiten. Meistens gehören sie der russisch- oder syrisch-orthodoxen Kirche oder kleinen Minderheiten innerhalb des Katholizismus und Protestantismus an.
Die Art der Kopfbedeckung hat sich im Laufe der Zeit immer wieder gewandelt. Heute tragen manche Christinnen ein dem türkischen Kopftuch ähnelndes Tuch, andere einen feinen Schleier oder ein mit Spitzen versehenes Häubchen. Auch katholische Nonnen haben eine Kopfbedeckung als Teil ihrer Ordenstracht.
Einige dieser Frauen tragen immer ein Kopftuch, manche bedecken allein beim Gebet oder im Gottesdienst ihr Haar. Die weibliche Kopfbedeckung gilt ihnen als Zeichen der Ehrfurcht vor Gott. Als biblischer Beleg gilt das Wort des Apostel Paulus: „Jeder Mann, der betet oder prophetisch redet und dabei sein Haupt bedeckt hat, entehrt sein Haupt. Jede Frau aber, die betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt, entehrt ihr Haupt.“ (1. Korinther 11,4-5)
Der Brauch von Frauen, ein Kopftuch zu tragen, reicht bis weit in die Antike zurück. So ist schon für das 12. Jahrhundert v. Chr. belegt, dass sich verheiratete Frauen beim Verlassen des Hauses mit einem Schleier bedeckten. Im Nahen Osten wie in Europa galt das Haar der Frau über lange Zeit als ihr schönster Schmuck. Zunächst verbargen nur Frauen der Oberschicht ihre Haare unter einem Schleier; Sklavinnen war das Tragen eines Schleiers bei Strafe verboten.
Für die Christen wurde der Schleier zum Sinnbild der Ehrbarkeit, Schamhaftigkeit und Jungfräulichkeit. Offenes Haar galt als unsittlich. Die Kopfbedeckung war auch ein Zeichen der verheirateten Frau, die „unter die Haube“ gekommen war. Bis heute zeigt sich dieser Brauch im Schleier einer Braut bei der Trauung.
Im Spätmittelalter wurde aus dem Brauch eine generelle Kleiderverordnung. 1913 schrieb der römisch-katholische Codex Luris Canonicis die Kopfbedeckung für Frauen in der Kirche erneut vor. Nach dem zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) war es für Frauen in der heiligen Messe einer katholischen Kirche dann nicht mehr verpflichtend, eine Kopfbedeckung zu tragen. Doch bis heute müssen Frauen sich bei einer Audienz beim Papst bedecken.

(Stand: 19. Februar 2020)


 
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