Sind Salafisten Muslime?

Salafisten sind eine sehr kleine Gruppe innerhalb des Islams. Sie begreifen sich als „die einzig wahren Muslime“ – eine Behauptung, die in Bezug auf ihren Toleranzgedanken gegenüber anderen Menschen schon einmal zu Recht aufhorchen lässt. Sie selbst sind Sunniten, wobei diese islamische Konfession eigentlich für sie gar nicht existiert, denn im salafistischen Weltbild gibt es nur die „Gläubigen“ und die „Ungläubigen“. So kommt es, dass sich einige Salafisten gar nicht als Salafisten bezeichnen, sondern einfach als Muslime.
Die salafistische Bewegung entstand Ende des 19. Jahrhunderts in Ägypten. Die frühen Vertreter sahen in einer Neubesinnung auf den Islam ein Mittel, um die als negativ empfundenen Folgen der Fremdherrschaften in islamischen Ländern zurückzudrängen. Ihr Wunsch war ein großer arabisch-islamischer Staat, in dem alle Muslime selbstbestimmt leben sollten.
Die modernen Salafisten, wie sie heute in Deutschland und vielen anderen Ländern auftreten, haben mit dem historischen Salafismus nur noch wenig gemein. Einst als moderne Reformer aktiv werden sie heute als ausgesprochen rückwärtsgewandt wahrgenommen.
Gemein ist den Salafisten ihre ausschließliche Besinnung auf das Leben zu Muhammads Zeiten als für sie heute maßgebende Richtlinie in ihrem Leben. Der arabische Begriff Salafiyya leitet sich ab von den „ehrwürdigen Altvorderen“ (arabisch: as-salaf as-salih), womit die ersten drei Generationen von Muslimen, die Muhammad und/oder seine Gefährten persönlich kannten, gemeint sind. Die Salafisten fühlen sich als Fundamentalisten in dem Sinne, als dass sie viele Jahrhunderte der islamisch-theologischen Entwicklung ignorieren und allein den Koran und die Sunna für ihr Leben als maßgebend betrachten. Sie suchen nach einem reinen Islam und kritisieren vermeintliche Neuerungen als Verfälschung. So leugnen sie die komplizierte Quellenlage zur Entwicklung des Korans und das damit verbundene Problem einer buchstabengetreuen Interpretation der heiligen Schrift. Die vielen Rechtsschulen, die sich deshalb in den ersten Jahrhunderten nach Muhammads Tod gegründet haben, um den Koran zu interpretieren und das islamische Recht auszuarbeiten, lehnen sie ab. Ihre Religion betrachten sie als immer gleichbleibendes und niemals zu veränderndes Regelwerk, auch wenn sich die Zeiten und damit die Lebensbedingungen in der hiesigen Welt vollkommen verändert haben.
In ihrer Nachahmung der Gesellschaftsordnung von vor 1400 Jahren auf der arabischen Halbinsel fühlen sie sich als die „wahren“ Muslime. Der sunnitische Islam gilt dabei als der einzig richtige. Die kurz nach Muhammads Tod entstandene Konfession der Schiiten betrachten sie als illegitim, spätere Glaubenspraxen wie beispielsweise den Sufismus halten sie für „verunreinigt“, ebenso volksislamische Traditionen wie Heiligenverehrung oder das Leben von säkularen Muslimen. Für vom Islam abgefallene Männer und Frauen (Apostaten) sehen viele Salafisten den Tod als gerechte Strafe an. Salafisten denken also in einem sehr starken Schwarz-Weiß-Raster aus Gut und Böse – wobei sie sich selbst als die Speerspitze des Guten betrachten.
Viele „westliche“ Lebensentwürfe lehnen die Salafisten entschieden ab: die Trennung von Staat und Religion, Demokratie, die Gleichberechtigung der Frau, Homosexualität, den interreligiösen Dialog etc. In Deutschland führen sie ein Leben in einer strenggehüteten Parallelgesellschaft. Sie rechtfertigen ihr Leben in diesem nichtmuslimischen Staat dadurch, dass es bisher nirgendwo auf der Welt einen „wahren“ islamischen Staat gäbe. Sobald dieser errichtet sei, würden sie dorthin auswandern. Solange ertragen sie das Leben unter den „Ungläubigen“ und nutzen die Zeit, um einen besonders frommen Lebensstil zu führen, von dem sie sich den Eingang in das Paradies erhoffen.
Salafisten gehen davon aus, dass die Welt eine bessere würde, lebten alle Muslime und am besten alle Menschen nach den Gesetzen Gottes. Missionierung ist für sie daher sehr wichtig – unter nicht-salafistisch lebenden Muslimen wie Nichtmuslimen. Seit einigen Jahren verteilen Salafisten zum Beispiel Korane in deutschen Innenstädten und Prediger gehen auf Tourneen, um in Moscheen oder bei öffentlichen Kundgebungen für ihren strengen islamischen Lebensstil zu werben.
In Deutschland gibt es heute nach Schätzung des Verfassungsschutzes rund 6.000 Salafisten; der Salafismus gilt als „die zurzeit dynamischste islamistische Bewegung“. Die meisten Salafisten leben im Privaten sowie in ihrer kleinen Gemeinschaft ihre Form des Islams. Zwar pflegen sie für die meisten Deutschen einen eher antiquierten Lebensstil, straffällig werden sie dabei jedoch nicht. Nur eine Minderheit der Salafisten ist militant eingestellt und begeht hierzulande oder im Ausland Straftaten. Manche finden über ihre Ideologie den Weg zu Gewalt und Terrorismus. Sie ziehen in den Irak oder nach Syrien in einen als heilig empfundenen Krieg (arabisch: dschihad), zu dessen Teilnahme sie sich als Gläubige verpflichtet fühlen.
Liberale wie konservative Muslime, also die große Mehrheit der in Deutschland friedlich lebenden Menschen, verurteilt ihr Tun. Sie grenzen sich von den Salafisten ab, indem sie betonen, dass Gewalt und Intoleranz mit dem Islam unvereinbar seien. Manche gehen hierbei dann auch soweit zu sagen, dass es sich bei salafistischen Terroristen nicht um Muslime handle.

(Stand: 31. August 2014)


 
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