Kalif und Imam – was ist der Unterschied?

Der islamische Prophet Muhammad war zu seinen Lebzeiten sowohl religiöser und auch politischer Führer der damaligen islamischen Gemeinschaft. Einen Nachfolger hatte er nicht bestimmt. Als er starb, wählte die damals junge muslimische Gemeinde deshalb einen Gefährten Mohammeds zum neuen Führer, er war „khalifa“ des Propheten, was sich mit „Stellvertreter“ und „Nachfolger“ übersetzen lässt. Seitdem haben sich viele muslimische Führer Kalif genannt.

Den großen Reichen der Ummayaden (661 bis 750 n. Chr.) und der Abbasiden (750 bis 1258) standen Kalifen vor. Auch die späteren Sultane der türkischen Osmanen (1299 bis 1922) haben sich Kalifen genannt. Der Titel bezog sich auf die politische, aber auch auf die geistliche Autorität der jeweiligen Führer. Um aber nochmals zu betonen, dass sich der Kalifentitel auch auf die religiöse Führung bezog, nannten sich einige (aber nicht alle!) Kalifen zeitgleich auch Imam. Da sich beide Begriffe also auf sunnitische Führer beziehen können, werden sie oftmals verwechselt.

In der Geschichte wurde um den Kalifentitel oft Krieg geführt, denn meist war umstritten, wer Kalif sein sollte. Zeitweise gab es auch mehrere Kalifen gleichzeitig, die von unterschiedlichen Orten aus die Führung der Muslime beanspruchten. Offiziell abgeschafft wurde das Kalifat 1924 nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs durch Kemal Atatürk, den Gründer der heutigen Türkei.

Aus diesem Grund würde der Großteil der Muslime sagen, dass heutzutage – anders als früher – keine Kalifen mehr existieren. Dennoch gibt es auch heute noch einige islamische Strömungen, die in ihrem Oberhaupt einen Kalifen sehen.

So nennen die Gläubigen der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya ihren spirituellen Führer Kalif. Seit 2003 ist das der Pakistaner Mirza Masroor Ahmad. Andere Muslime erkennen ihn aber nicht als Kalifen an, viele Sunniten sprechen den Anhängern der Ahmadiyya sogar ab, überhaupt Muslime zu sein.

Neben der Ahmadiyya finden sich verschiedene Sufi-Orden, die ihre Führer Kalifen nennen. Als Sufis werden die Anhänger von sehr spirituell orientierten Strömungen des Islams bezeichnet. Sufi-Kalifen findet man vor allem in afrikanischen Ländern.

Schließlich beansprucht seit 2014 auch der Führer der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) den Kalifentitel für sich. Der IS herrscht mit äußerst brutalen Methoden über Teile Syriens und des Iraks und verübt Terroranschläge weltweit. Der Anführer der Gruppierung, Abu Bakr al-Baghdadi, rief in einer Moschee im irakischen Mossul das Kalifat aus und erklärte sich zum „Kalifen Ibrahim“, den alle Muslime weltweit anzuerkennen hätten. Auf diese Weise versucht die Organisation an Glaubwürdigkeit und Gefolgschaft zu gewinnen, denn mit den Begriffen Kalif und Kalifat nimmt der IS Bezug auf die oben erwähnten islamischen Reiche der Vergangenheit.

Nun zum Begriff 'Imam': Neben dem Imam als religiösem Oberhaupt, von dem oben die Rede war, hat der Begriff eine wichtige alltägliche Bedeutung. Sunnitische Muslime verstehen unter Imam heutzutage ganz einfach den Vorbeter einer Moschee. Seine Hauptaufgabe besteht darin, das Gebet zu leiten. Dabei steht er vor den anderen Betenden in der Moschee an der Gebetsnische. Je nach Moscheegemeinde kümmert er sich aber auch um andere Dinge, ist zum Beispiel eine Vertrauensperson und ein Ansprechpartner für die Gläubigen.

Da der Beruf des Imams in Deutschland ungeschützt ist (anders als zum Beispiel der des Arztes oder des Rechtsanwalts), darf sich im Grunde genommen jeder Imam nennen – auch ohne eine entsprechende religiöse Ausbildung. In vielen türkischen Moscheen arbeiten aber Imame, die offiziell von der türkischen Religionsbehörde in Ankara entsandt werden.

Etwas ganz anderes verstehen dagegen Schiiten unter dem Begriff. Dort sind Imame ein sehr wichtiger Teil des Glaubensinhaltes. Die Zwölferschiiten, die zum Beispiel im Iran leben, glauben, dass es in der Geschichte zwölf Imame gegeben hat, die allesamt aus der Familie von Muhammads Cousin und Schwiegersohn Ali ibn Abi Talib kamen. Der zwölfte Imam, Imam Mahdi, soll eines Tages verschwunden sein und sich nun in der „Verborgenheit“ befinden. Schiiten glauben, dass er eines Tages, am Ende der Zeiten, zurückkommen wird in die diesseitige Welt. Dann soll er ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit auf Erden errichten.

(Stand: 23. April 2017)


 
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