Kann man Rassismus bei der Polizei anzeigen?

In Deutschland gibt es etliche Gesetze, die Rassismus und Diskriminierung verbieten bzw. verhindern sollen. So heißt es in Art. 3 (3) des Grundgesetzes: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Alle staatlichen Stellen sowie alle Bürgerinnen und Bürger sind an das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes gebunden. Seit 2006 gibt es mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein weiteres spezifisches Antidiskriminierungsgesetz insbesondere für den Arbeitsmarkt. Auch diskutieren einige Bundesländer derzeit eigene Landesgesetze gegen Diskriminierung und Rassismus, die die bereits bestehenden Gesetze gegen Rassismus und Diskriminierung weiter ergänzen sollen.
Körperverletzung sowieso, aber auch rassistische Beleidigung, Bedrohung und Nötigung sind von strafrechtlicher Bedeutung und können angezeigt werden, ebenso Äußerungen, die andere Personen(-gruppen) als minderwertig erklären und ihnen die Menschenrechte absprechen (§ 130 StGB Volksverhetzung). Angezeigt werden kann auch das Tragen oder Verbreiten von rechtsextremen Symbolen, Liedern und Parolen, die verfassungswidrig sind (§§ 86 und § 86a StGB). Hierzu zählen u.a. das Hakenkreuz, SS-Runen und alte nationalsozialistische Parolen und Grußformen (Hitler-Gruß), aber auch die Symbole von verbotenen Neonaziorganisationen (z.B. Blood & Honour). Auch das Leugnen des Holocaust ist eine Straftat. Relevant sind nicht nur Aussagen und Taten im direkten Kontakt mit Menschen; auch rassistische Hetze im Internet ist seit Kurzem strafbar und kann geahndet werden.
Um die von Rassismus betroffenen Menschen bestmöglich zu unterstützen, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Beratungsstellen eingerichtet. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes arbeitet in ganz Deutschland und vermittelt ggf. an kleinere Stellen in den Bundesländern, die auf bestimmte Rassismusformen, z.B. Antisemitismus, Homophobie, Antiziganismus oder Diskriminierung von People of Color, spezialisiert sind. Antidiskriminierungsbeauftragte gibt es manchmal auch in der Schule selbst. Das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot verpflichtet die Schule, ein rassistisches Verhalten – egal von wem – zu unterbinden und schützend einzugreifen. Oft kann ein Antidiskriminierungsbeauftragter bei der Lösung des Konflikts helfen, ohne dass die Polizei eingeschaltet werden muss.
Beratungsstellen für von Rassismus und Diskriminierung betroffene Menschen bieten auch eine juristische Beratung. Bei manchen Straftaten sind Polizei und Staatsanwaltschaft verpflichtet, von sich aus zu ermitteln, zum Beispiel bei Körperverletzung. Die betroffene Person wird dann als Zeuge vernommen und sagt ggf. im Prozess gegen die Täter aus. Dazu ist die- oder derjenige dann verpflichtet. Bei anderen Vorfällen entscheidet die betroffene Person selbst, ob Anzeige erstattet werden soll. Die Beratungskräfte sprechen offen darüber, wie erfolgreich diese sein kann. Denn es gibt auch viele Formen von Rassismus und Diskriminierung, die nicht strafrechtlich verfolgt werden, weil sie aus juristischer Sicht als nicht schwerwiegend genug verstanden werden, obgleich sie für die betroffene Person sehr verletzend gewesen sind.
Eine Anzeige kann persönlich oder schriftlich (auch online) bei jeder Polizeidienststelle oder Staatsanwaltschaft erstattet werden. Bei leichteren Delikten muss noch ein Formular für den Strafantrag unterschrieben werden, wenn man die Strafverfolgung ausdrücklich wünscht. Bei Menschen unter 18 Jahren unterschreiben die Eltern den Strafantrag. Wer sich unsicher fühlt, kann auch eine Person bestimmen, die mit zur Polizei oder zum späteren Gerichtsverfahren geht.
Nach Erstattung der Anzeige und ggf. dem Antrag auf Strafverfolgung nimmt die Polizei die Ermittlungen auf. Nach deren Abschluss geht die Akte an die Staatsanwaltschaft. Diese entscheidet, ob weiter ermittelt, das Verfahren eingestellt oder Anklage erhoben wird. Das Gericht eröffnet dann den Prozess. Manchmal vergeht bis dahin sehr viel Zeit.

(Stand: 3. April 2020)


 

Schließen